1. Direkte Demokratie

1.001 Demokratiedefizit in der Schweiz?
«Sehnsucht nach Nordkorea», Philipp Gut, Weltwoche 5/11
Eine neue Studie bescheinigte der Schweiz, bloss eine «mittelmässige» Demokratie zu sein. Die Bürger des Landes wunderten sich. Das Rätsel lässt sich lösen:
Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst der direkten Demokratie. Es scheint mittlerweile zu einer festen Regel geworden zu sein: Wann immer in der Schweiz über eine Initiative abgestimmt wird, die die Bevölkerung bewegt - etwa das Verbot von Minaretten oder die Ausschaffung krimineller Ausländer -, äussern ausländische
Regierungsvertreter, EU-Beamte und Journalisten stirnrunzelnd Besorgnis. Die Souveränität des Landes, in dem das Volk das letzte Wort hat und aktiv das politische Geschehen prägt, ist ihnen offensichtlich ein Dorn im Auge. Ebenso regelmässig weichen die Bürger der Nachbarstaaten von den offiziellen Verlautbarungen ab. In Internetforen, Leserbriefspalten und in Umfragen sind die Mehrheiten nach jedem helvetischen Plebiszit erdrückend: Ob Deutsche, Österreicher, Polen oder Holländer - alle wollen mehr politische Mitbestimmung nach Schweizer Vorbild.
Völlig quer dazu stehen die Befunde einer neuen Studie. Gemäss dem sogenannten Demokratiebarometer soll die Schweiz im internationalen Vergleich nur «Mittelmass» sein, hinter repräsentativen Demokratien wie Deutschland und abgeschlagen hinter konstitutionellen Monarchien wie Schweden. Zwei Fragen drängen sich auf: Wie kommen solch kuriose Resultate zustande? Und: Wer sind die Wissenschaftler, die allen Ernstes behaupten, die Schweiz sei undemokratischer als Belgien, Slowenien oder Island?
Die Ergebnisse hängen von den gewählten Kriterien ab. Wer die Schönheit einer Frau ausschliesslich am Durchmesser ihres Bauchnabels misst, wird zwangsläufig zu anderen Ergebnissen kommen, als einer, der ihr Gesicht, ihre Proportionen und ihr gesamtes Erscheinungsbild beurteilt. Ähnlich ist es mit der erwähnten Studie: Zentrale Faktoren werden ausgeblendet, Streitbares bis Nebensächliches wird ins Zentrum gerückt. Initiativ- und Referendumsrecht? Abstimmungen auch in Sachfragen? Föderalismus? Diese zentralen Errungenschaften der Schweiz, um die sie im Ausland zu Recht beneidet wird, zählen nicht. Ebenso wenig finden die imposanten Demokratiedefizite der EU Beachtung. Die Konkordanz steht unter diesen windschiefen Voraussetzungen für fehlenden Wettbewerb und mangelnde Kontrolle der Regierung, die private Parteienfinanzierung gilt als Indiz für Intransparenz. Und der Umstand, dass die Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit
kennt, trägt ihr den Vorwurf ein, die Rechtsprechung sei «nicht unabhängig».
Das ist, mit Verlaub, keine ernstzunehmende Wissenschaft, sondern viel eher ein schlechter Witz. Verfassungsgerichte wurden fast immer in Staaten eingerichtet, die von revolutionären Umbrüchen und Diktaturen gebeutelt waren. In Deutschland beispielsweise als «Reaktion auf die Verhöhnung der Menschenrechte durch die Nazidiktatur», wie der ehemalige Bundesrichter Martin Schubarth schreibt. Länder wie die Schweiz, in denen sich der Rechtsstaat kontinuierlich entwickelt hat, brauchen dieses Instrument nicht. Als Kontrollinstanz bewährt sich in der direkten Demokratie das Volk.
Wissenschaft, sozialistisch:
Die Verwunderung über die sonderbaren Methoden der Studie lässt etwas nach, wenn man die Autoren und ihr Umfeld näher betrachtet. Entwickelt wurde das Demokratiebarometer im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) «Herausforderungen für die Demokratie im 21. Jahrhundert» und vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Beide Institutionen finanzieren sich beinahe (oder) vollständig aus Steuergeldern. Die Schweiz lässt sich diese Art von «Demokratieforschung», die ihr die Fähigkeit zur Demokratie mehr oder weniger abspricht, insgesamt Dutzende von Millionen Franken kosten. Ausgewählt werden die Forschungsschwerpunkte vom Eidgenössischen Departement des Inneren (EDI). Ob der Auftraggeber, also der Bund, die bizarren Ergebnisse ernst nimmt, ist nicht bekannt. Sicher aber ist, dass das Demokratiebarometer eine politische Schlagseite aufweist. Verantwortlich ist  neben dem promovierten Schweizer Politikwissenschaftler Marc Bühlmann der deutsche Professor Wolfgang Merkel vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung. «Sozial» heisst in diesem Fall sozialistisch: Merkel beschäftigt sich nicht nur beruflich mit Vorliebe mit der Sozialdemokratie («Abschied von der Sozialdemokratie?» und «Hat die Sozialdemokratie eine Zukunft?» heissen seine beiden jüngsten Vorträge). Wissenschaft und politische Aktion sind bei ihm schwer zu trennen. Merkel ist Mitglied der Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD, Berater
des sozialistischen spanischen Ministerpräsidenten Zapatero und sozialistischer Stiftungen. Die «grösste Schwäche» der Schweizer Demokratie sieht Merkel folgerichtig in einer «ganz starken sozialen Ausgrenzung der unteren Schichten». Er begründet die Aussage damit, dass sich «vor allem die Gebildeten, Wohlhabenden, Älteren und überproportional Männer» an der Politik beteiligten. Herr Professor Merkel, entschuldigen Sie die Belehrung: In Demokratien ist die politische Betätigung bis auf Weiteres freiwillig. Die Wahlbeteiligung beim jüngsten Urnengang im sozialistischen Nordkorea lag bei 99,8 Prozent. «Mittelmass» zu sein, bleibt da ein Privileg.

1.002 Neue Doktrin: Nato erklärt Russland zur ständigen Bedrohung
Kommentar von Fritz Kälin: Lassen wir das gegeneinander Abwägen und die vermeintlichen Legitimierungen der Interventionen von West und Ost mal beiseite… 
Für uns wichtig und beängstigend ist, dass sowohl der Westen als auch Russland durch sie beeinflusste ‘Usurpation/Demokratie/Wahlen/Abstimmungen’ als ‘Waffe’ einsetzen. Beide Seiten präsentieren sich als Akteure, die ohne zu zögern Partei bei innenpolitischen Auseinandersetzungen in Drittstaaten nehmen. 
Erinnern wir uns bei dieser Gelegenheit daran, wie oft unser heterogenes Land in seiner Geschichte durch inneren Zwist in seiner Einheit und Unabhängigkeit bedroht war. Dann erkennen wir den wahren Wert der direkten Demokratie, welche dazu dient, in selbst noch so umstrittenen politischen Streitfragen eine friedliche und von allen akzeptierbaren Entscheidung zu erreichen. (Ein alternativer Rückgriff auf Gewalt durch eine unterlegene Partei wird damit präventiv delegitimiert.) Unsere verfassungsmässige Staatsordnung stellt auch im 21. Jahrhundert die vorderste, friedlichste und effizienteste Verteidigung dar. Unsere Armee soll deshalb in allererster Linie diese verfassungsmässige Staatsordnung gegen jede erdenkliche Bedrohung bestmöglich schützen können. Diesen Schutz kann nur durch eine eigene, niemals eine fremde Armee legitim gewährleisten. http://gruppe-giardino.ch/?p=8123